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Von Goldblasen und „historischen Fakten“ à la Barron´s

Datum:

von Peter Boehringer 30.07.10 15:13:29

Liebes Tagebuch: Es ist der letzte Handelstag im Juli – und es war kein guter Monat für Gold. Von 1240 $/oz sind wir bis zum Monatsende zeitweise unter 1160 $/oz gefallen. Nur ein wenig tröstet dabei die Tatsache, dass wir auf Dollar-Basis im lfd. Jahr 2010 wie in JEDEM Jahr seit 2001 weiterhin im Plus sind. Bis heute immerhin noch ca. 4% – und auf EUR-Basis sogar noch einiges mehr. Und es tröstet auch nur bedingt, dass damit bereits zum Halbjahr die Jahresrendite amerikanischer oder EUropäischer Staatsanleihen geschlagen ist, die übrigens im Mai 2010 u.U. auch minus 100% hätte sein können – wie seit gestern sogar der Mainstream zugibt

=> Es ist einfach eine Tatsache, dass Goldanleger verwöhnt sind und dass eine Halbjahresperformance von 4% sie in dieser existenziellen Krisensituation des Weltfinanzsystems nur bedingt zufriedenstellen kann. Ist Gold nun also „out“? Setzen die „Untergangspropheten“ und die „Inflations-Paranoiden“ aufs falsche Rettungsboot?
Manche meinen „Ja“. Lesen wir in diesem Zusammenhang doch einmal Alan Abelsons neuesten Eintrag in seiner bekannten Barron´s-Kolumne „Up and down Wallstreet“: In „A Contrarian´s View on Gold“ outet sich Abelson als Gold-Zweifler. Nun hat natürlich auch diese Spezies eine Existenzberechtigung: Gäbe es keine Gold-Contrarians mehr, dann müsste man sich ernsthaft Sorgen machen, ob wir nicht DOCH allmählich die Blasenphase und die Milchmädchen-Hausse erreicht haben. Aber zum Glück GIBT es ja die Wallstreet-Bibel Barron´s und Abelson ist einer ihrer Propheten.

Die Kolumne ist nur für zahlende Abonnenten erreichbar – darum übersetze ich Ihnen mal die Highlights – oder sollten wir eher „Lowlights“ sagen?

1. „Langfristig könnte das gelbe Metall ‚risikobeladen‘ sein. [Also gehen Sie raus aus Gold!]“

=> Man beachte, wie Abelson das Wort „Metall“ betont – und damit die vermeintliche Rohstoff-Eigenschaft von Gold. Gold ist aber eine eigene Anlageklasse und kein trivialer „Rohstoff“. Die „Risiken“, die Abelson hier andeutet, sind jedenfalls keine, die irgendwie aus einer möglichen generellen Schwäche der Rohstoff-Märkte resultieren würden.
=> „Risiko“ wird hier wie meist sehr einseitig definiert. Abelson bezieht sich im Artikel auf eine Analyse von Peter Berezin von BCA-BankCreditAnalyst. Was aber soll DA auch anderes rauskommen als eine Markowitz´sche Risikobetrachtung, die immer und immer wieder fälschlicherweise „Volatilität“ mit „Risiko“ gleichsetzt?

2. Ein Anstieg der realen Zinssätze wird den Goldpreis drücken. Der Anstieg ist sicher, wenn die Weltwirtschaft beginnt, sich zu erholen. [Also gehen Sie raus aus Gold!]

=> So viele Konditionale und Wenns: Die Weltwirtschaft hat sich auch nach 2002 ansatzweise erholt. Und doch sind die Zinsen auf deutsche Anleihen fast auf historischem Tief geblieben und sie stehen auch in den USA kaum höher. Bernankes Druckerpresse und die Goldpreismanipulation machen es möglich.
=> Zudem MUSS sich die Weltwirtschaft erst einmal erholen. Oder glaubt jemand ernsthaft der aktuellen Propaganda der Schönwettermedien; und glaubt jemand an die Nachhaltigkeit der Exporterfolge, die auf einer statistischen Minibasis des Krisenjahrs 2009 beruhen?
=> Und nicht zuletzt: zwischen 1978 und 1981 schleuste Bens Vorvorgänger Volcker die US-Zinsen von ca. 8% auf über 18%. Bis 1980 hat dies das Gold nicht im Geringsten davon abgehalten, ein Rekordhoch nach dem anderen zu markieren. Erst nach vollen 2 Jahren (und einem bereits WEIT zweistelligen Zinsniveau) konnte die damalige Übertreibung beim Goldpreis gestoppt werden. Wo stehen wir heute in den USA? Bei unter 4% und in D bei 2,7%…

3. „Die Inflationserwartungen sinken. Disinflation ist der ‚Erzfeind des Goldes‘ – und in den kommenden Jahren ist Deflation die größte Gefahr. [Also gehen Sie raus aus Gold!]

=> Das alte Geblubber von den „Erwartungen“: Dahinter steckt die keynesianische Psychodenke: „Wir müssen nur die ERWARTUNGEN und die Psychologie der Massen beherrschen – dann interessieren Fakten zu Geldmengen, ‚quantitative easing‘ und Schrott-Monetarisierungen im Billionen-Maßstab nicht mehr und alles wird gut.“
=> „Disinflation“ bedeutet lediglich „zurückgehende Inflationsraten“. „Deflation“ sind SINKENDE Geldmengen (bzw. sinkende Preise gemäß keynesianischer Definition). Abelson verwechselt also die weiterhin positiven Inflationsraten mit [real nicht erkennbarer] DEflation…

4. „Es gibt Indizien, dass die europäische Staatsschuldenkrise langsam zu Ende geht. Wenn das geschieht, dann wird die Attraktivität des Goldes als ‚currency of last resort‘ abnehmen und der Markt wird Zinserhöhungen der Zentralbanken einpreisen. [Also gehen Sie raus aus Gold!]

=> „Indizien“ gibt es immer. Im Original ist sogar von „evidence“ (Beweisen) die Rede. Woher Berezin und Abelson ihren Optimismus nehmen, bleibt dabei aber ihr Geheimnis...
=> Spätestens wenn die amerikanischen und EUropäischen Banken wieder größeren ReFi-Bedarf haben und aufgrund der riesigen anstehenden Volumina wieder Zweifel an deren Finanzierbarkeit aufkommen, wird der „letzte Zufluchtsort“ sofort wieder attraktiv. Das wird spätestens ab Herbst wieder geschehen – die dann bis weit nach 2011 anstehenden ReFi-Beträge sind gewaltig.
=> Zinserhöhungen wurden seit 10 Jahren immer mal wieder „eingepreist“. Und doch sind sie kaum einmal wirklich gekommen und wenn doch, dann nur in homöopathischen Dosen. Ein drogensüchtiges Geldsystem erträgt keine Entziehungskur durch die Zentralbanken. Weder Trichet noch Bernanke werden sie daher anstoßen – ganz im Gegenteil erleben wir in den USA seit 2008 und in EUropa seit Mai 2010 „quantitative easing“ und Monetarisierungen ohne Ende – also das Gegenteil von „Entzug“.

5. „Der US-Dollar-Index wird wieder ansteigen. Berezin sieht daher den Dollar als ‚das beste Haus in einer schlechten Nachbarschaft‘. Der Dollar wird ggü. dem Euro und dem Yen aufwerten – und der alte gegenläufige Trend zwischen Dollar-Index und Gold wird wieder aufleben. [Also gehen Sie raus aus Gold!]

=> Schaun wir mal, wie sich das einlagige Klopapier (Dollar) und die zweilagigen (Euro und Yen) gegeneinander verhalten werden. Kursverhältnisse zwischen Papiersorten sind fast beliebig manipulierbar und praktisch nicht prognostizierbar. Auch nicht durch einen Berezin-Banker.
=> Der „alte Trend“ der gegenläufigen Gold- und Dollarbewegung war nie ein Naturgesetz. Er galt auch nur einige Jahre lang und endete eigentlich Anfang 2010. Nachdem auch der EUro seit Mai 2010 nur noch eine beliebig inflationierbare Währung wie jede andere auch ist, könnte sich künftig auch durchaus eine negative Korrelation zwischen EURO und Gold etablieren. Abwarten…
=> Goldbugs wüssten insofern durchaus noch ein besseres „Haus“ als den Dollar, wenn es um die Suche nach einem sicheren Unterschlupf für ihr Vermögen geht. Bei der „schlechten Nachbarschaft“ geben wir Abelson aber natürlich recht: was will man im Papiergeld-Ghetto auch anderes erwarten?

6. „Wir erleben einen Sprung des spekulativen Interesses an Gold. Das erinnert sehr an die Welle der Milchmädchenkäufe, die 1980 den Höhepunkt der Goldbubble markierte. [Also gehen Sie raus aus Gold!]

=> Was wir erleben, ist eine hochvolatile und aktuell schwache Nachfrage nach ETF-PAPIERGOLD-Investments, wo sich die Zocker inklusive der „institutionell-renommierten“ Zocker tummeln. Meldung von heute (kann morgen schon wieder genau umgekehrt sein): „Ein nachlassendes Interesse der Finanzanleger lastet auf dem Goldpreis. Das zeigt sich am weltgrößten börsennotierten Goldfonds, dem SPDR Gold Trust. Er vermeldete am Mittwoch mit 18,5 Tonnen den größten Tagesabfluss seit April 2008.“
=> Was wir GLEICHZEITIG erleben, ist eine ENORME Nachfrage nach REALEM Gold durch die langfristigen Investoren und die „starken Hände“, die in der Regel auch nicht auf Pump kaufen. Meldung von vorgestern: „Flucht in den Krügerrand. Die alte Stanzmaschine in der Rand Refinery im Südwesten von Johannesburg kann mit der Nachfrage kaum Schritt halten.“
=> Milchmädchenhausse? Blase??

7. „Die Prämien für Put-Optionen auf Gold zur Absicherung gegen einen niedrigeren Goldpreis steigen derzeit – besonders ggü. den Versicherungskosten von S&P 500 – Aktien. [Die Marktteilnehmer sind damit bullish auf Aktien und bearish auf Gold. Also gehen Sie raus aus Gold!]

=> Wie sich diese Erkenntnis mit der These „Milchmädchenhausse-Alarm! ALLE sind bullish auf Gold!“ verträgt, bleibt wohl Abelsons Geheimnis.
=> Aber unabhängig davon: Der wahre Goldbug versichert Gold nicht gegen einen Goldpreisverfall. Das machen nur Zocker und Daytrader.
=> Gold IST die Versicherung gegen alle größeren Unbilden des Finanzwesens (Deflation ist entgegen der Medienpropaganda kein solches Unglück). Man versichert sich nicht gegen ein Versagen der Versicherung „of last resort“!

8. „Noch sind aber die Put-Prämien gegen einen Goldpreis-Verfall niedriger als die gegen einen Verfall der Aktienmärkte. Der große Gold-Optimismus, den damit die Anleger ausweisen, widerspricht der historischen Tatsache, dass Aktien das Gold als Investment um Längen geschlagen haben. [Also gehen Sie raus aus Gold! Haben Sie es jetzt ENDLICH verstanden?? Do it. Now!]

=> Uh – so große Worte: „Historische Tatsache!“… Nun: jeder schafft sich die Statistik, die er haben möchte. Aber zufällig kam hier HEUTE dieser ganz aktuelle 10-Jahreschart „Dow in Goldunzen“ herein:

=> Jedenfalls in diesen 10 Jahren war es genau andersherum, Herr Abelson: Gold hat den Dow „um Längen geschlagen“ – genauer gesagt um 400%.
=> Und bevor nun wieder mal ein neunmalkluger Systemschreiber meint, das sei ja noch keine „historische“ Betrachtung und 2000-2010 sei ja ein willkürlicher Betrachtungszeitraum und der aktuell 2010 so niedrige Wert „Dow in Gold = 8 Unzen“ sei ja gerade der BEWEIS für eine BLASE des Goldpreises: Dann beruhigen wir diesen Elitisten schon mal prophylaktisch mit dieser Langzeitgrafik seit 1913, die ich hiermit schamlos und ungefragt der Präsentation von James Turk bei der Frankfurter Veranstaltung der Deutschen Edelmetall-Gesellschaft von Juni 2010 entnehme. 8 Unzen sind historisch gerade mal ein mittelhoher Wert. Erwarten wir den unteren Wendepunkt bei 1 oder 2… :

Soweit also alles gut für Goldbugs. Trotzdem gilt für Juli 2010 natürlich, dass der Monats-Verlust i.H.v. über 9% beim Dollar-Goldpreis unschön war und ist. Darum nur kurz aufgezählt hier die möglichen Gründe ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

1. Vorige Woche musste Bernanke in mehrere Senats- und Parlamentsanhörungen. Fast immer wird im Vorfeld solcher Hearings von der Fed und ihren Eignerbanken der Goldpreis gedrückt.

2. In der laufenden Woche war quartärlicher option expiry an der Comex. Fast immer wird in solchen Wochen der Goldpreis gedrückt, um die Verluste der einschlägig bekannten Shorties zu minimieren bzw. um ihre Profite zu maximieren.

3. In der laufenden Woche wollte das US-Treasury Staatsanleihen über mehr als 100 Mrd Dollar verhökern. Selbst bei einer für 2010 geschätzten Nettokreditaufnahme von gut 1 Bio Dollar ist das als WOCHENverschuldung schon ganz sportlich. Da drückte man sicherheitshalber lieber mal den Preis der sicheren Alternative Gold. Jedenfalls bis zum Ende der Verkäufe am Freitag Mittag.

4. Im Mainstream wird seit Wochen eine diffuse Deflationsangst geschürt. Dazu passt auch wunderbar das o.g. Barron´s-Geblubber.

5. Nach dem sehr steilen und langen Goldpreisanstieg bis Juni 2010 standen alle technischen Indikatoren im überkauften Terrain. Es war einfach Zeit für eine kleine Konsolidierung, um die Indikatoren wieder auf normale Werte zu bringen.

6. Nach glaubhaften Gerüchten verkaufen derzeit mehrere EUropäische Banken und/oder die EZB selbst physisches Gold. Ein physikalisch „endlicher“ Vorgang…

7. Es ist Sommerzeit und Ferienzeit. Damit sind auch Investments im Sommerloch. Saisonal ist der Sommer traditionell eine schwache Zeit für Gold.

Fazit: Ich entlasse Sie nun in eben dieses Sommerloch. Spätestens im Spätsommer ist der kleine Spuk zur Abschreckung ängstlicher Papier-Goldbugs vorbei. Vielleicht schon kommende Woche. Schöne Ferien also und: Got Gold?

AlexBenesch
AlexBenesch
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