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Gentechnikentscheidung der EU: Alle verbliebenen Klarheiten beseitigt

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Der europäische Konsument braucht wohl bald einen Anwalt für Lebensmittelrecht um die Gesetzeslage hinsichtlich gentechnisch veränderter Organismen zu verstehen. Am 13. Juli hat die europäische Komission eine neue Gesetzesinitiative beschlossen, um rechtlich für „Klarheit“ zu sorgen was länderspezifische Anbauverbote anbelangt. In Zukunft soll zwar jedes Mitgliedsland auf seinem Hoheitsgebiet den Anbau von genveränderten Pflanzen verbieten können, jedoch sind genügend Hintertüren offen für die  Biotech-Industrie um diese Verbote auszuhebeln. Die Komission verkündete unmissverständlich, dass man mit dem Vorstoß den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der europäischen Union vorantreiben möchte.

Bisher hat sich Europa als schwer einzunehmende Festung für Gentechnikriesen wie Monsanto und Co erwiesen. So wurden in den letzten 12 Jahren lediglich 2 genveränderte Pflanzen (die Maissorte MON 810 und die Kartoffel Amflora) zum Anbau freigegeben, weltweit hingegen über 100. Die Ursache hierfür war u.a. die bisherige Zulassungspraxis in der EU: Mitgliedsstaaten konnten bisher den Anbau von genveränderten Organismen nur mittels neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse vorläufig verbieten; durch diese Schutzklausel haben Österreich, Deutschland, Griechenland, Frankreich, Ungarn und Luxemburg die bisher zum Anbau zugelassenen GVOs verboten. Danach hatte stets eine Überprüfung der Sachlage durch die EFSA zu erfolgen. Diese“ Überprüfungen“ ergaben stets die Unbedenklichkeit der jeweiligen genveränderten Sorte, weshalb die EU eine Aufhebung dieser nationalen Verbote forderte, allerdings regelmäßig zum Bedauern einiger gentechnikfreundlicher Länder wie die Niederlande oder Spanien an einer Zweidrittelmehrheit im Ministerrat der Mitgliedsländer scheiterte.

Diese damit ausgedrückten Zweifel der Mitgliedsländer an der wissenschaftlichen Kompetenz der EFSA will man offenbar nun beseitigen. Nach wie vor sollen gesundheitliche Risiken und Umweltrisiken nur von der sehr umstrittenen europäische Behörde für Lenbensmittelsicherheit (EFSA) bewertet werden, deren Gutachten dann maßgeblich sind für eine Zulassung oder ein Verbot des jeweiligen genveränderten Organismus.

Der verabschiedete Entwurf enthält auch eine geänderte Empfehlung zur Koexistenz gentechnisch veränderter Pflanzen und herkömmlicher Kulturen, die sofortige Gültigkeit erlangt. Bisher galt die rechtlich nicht bindene Leitlinie der Komission aus dem Jahr 2003, dass ein nationales Anbauverbot nur dann „angemessen und proportional“ sei, wenn damit eine Verunreinigung der Nachbarfelder und ihrer Produkte über 0,9% verhindert wird. Jetzt wird die Änderung dieser Leitlinie, wonach auch bei einer Verunreinigung unter 0,9% ein Verbot zulässig sei, als Entgegenkommen gegenüber gentechnisch kritisch eingestellten Staaten seitens der Kommission gefeiert. Für Mitgliedsstaaten ändert dies erstmal nichts, da bisher die Komission nie vor dem europäischen Gerichtshof geklagt hat, wenn ein Land striktere Grenzen bzgl. dem zulässigen Grad der Verschmutzung festgelegt hat, wie z.B Österreich. Ob diese neue Empfehlung im Widerspruch zu dem Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9% steht, den die EU-Richtlinie 2001/18 nennt und gegen den geklagt wird seitens z.B. der Biotechindustrie, bleibt abzuwarten.

Laut Kritikern der Gentechnik drohen mit diesem Gesetzentwurf, der noch vom EU-Ministerrat und Parlament gebilligt werden muss und so frühestens in 2 Jahren in Kraft treten kann, weitere Gefahren für ein weitgehend GMO-freies Europa. So würde man geltende Regeln der WTO verletzen, da diese nationale Anbauverbote nur tolerieren, wenn sie wissenschaftlich begründet sind aufgrund von Risiken für Umwelt und Gesundheit. Laut einem anwaltlichen Gutachten, das von Greenpeace und den Freunden der Erde in Auftrag gegeben wurde, besteht mit dem Komissionsentwurf nur noch die Möglichkeit aus ethischen Gründen den Anbau zu untersagen, was vor Gericht im Falle einer Klage schwer haltbar sei.

Polen, Spanien und Frankreich haben bereits merfach verlautbart, dass sie den neuen Gesetztesentwurf im Ministerrat nicht mittragen werden, obwohl Spanien ebenso wie die Niederlande, die Tschechische Republik und Großbritannien positiv gegenüber der grünen Biotechnologie eingestellt sind. Entscheidend würde demnach die Haltung Deutschlands sein, da eine Zweidrittelmehrheit zur Annahme des Vorschlags nötig ist. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist festgehahlten, dass das von Ilse Aigner noch unter schwarz-rot erlassene Verbot von Mon810 nicht gekippt werden soll, man allerdings zukünftig Anträgen auf Verkauf oder Anbau von GVOs zustimmen wolle. Diese Haltung bewies man auch vor einigen Wochen als Deutschland erstmals für die Zulassung von neuen genveränderten Sorten stimmte. Rechtzeitig für einen Anbau im Jahre 2010 warten 3 weitere genveränderte Maisorten auf ihre Zulassung, Monsantos Mon810, Sygentas Bt11 und Pionieers 1507. Sollte die Anbauerlaubnis erteilt werden, wären damit auch alle bisher erteileten Verbote vorläufig hinfällig, so auch das in Deutschland erteilte Anbauverbot für MON 810.

Zusätzlich steht eine Entscheidung der Kommission aus bezüglich der sogenannarten „Nulltoleranzregel“ bei genetchnischer Verunreinigung von Saatgut. Zu erwarten ist hier, dass die strikte Regel fallen gelassen wird und wiedereinmal wie bei der Zulassung der genveränderten Kartoffel Amflora durch die Kommission (sie hat laut EU-Recht die Pflicht, in einem festgefahrenen Zulassungsprozess einzugreifen und umstrittene Gen-Pflanzen trotz Widerstand einiger Mitgliedsländer zuzulassen), Verbraucherwünschen keinerlei Rechnung getragen wird. Das verwundert wenig, berachtet man die generell undemokratische Struktur der EU. Auch hat der Präsident der Komission, Jose Manuel Barroso vor einiger Zeit eine Arbeitsgruppe aus Vertretern aller Mitgliedstaaten ernannt, um die Hauptstädte auf Pro-Gentechnik-Kurs einzuschwören, was wenig Zweifel lässt an seiner grundsätzlichen Haltung zu diesem Thema.

Einen wesentlichen Einfluss auf die Gentechnikpolitik der EU übt die Lobbyorganisation „EuropaBio“ der Biotech-und Pharmakonzerne BASF, Bayer, Behring, Evonik, Monsanto und Pfizer aus. Ganz im Gegensatz zu dem umweltfreundlichen Image, das man mit dem Namen erzeugen möchte, ist an den Produkten der Firmen schwerlich etwas“ Bio“. Seit Jahren bemüht man sich vehement, Brüssel für den Anbau seiner genveränderten Sorten zu begeistern. Gute Kontakte werden der Industrie auch zur EFSA nachgesagt die maßgeblich ist für die Bewertung der Risiken von genveränderten Produkten und somit deren Zulassung. Bisher wurden Bedenken und Studien der Mitgliedsländer bzgl. der Gefährlichkeit von GVO von ihr stets abgewiesen, was sehr verwundert angesichts zahlreicher, unabhängiger Studien die eindeutig die Gefahren der Genetchnik aufzeigen.

So wurde kürzlich In Russland eine neue Fütterstudie durchgeführt, die nahelegt dass genveränderte Lebensmittel bei Hamstern Sterilität in der zweiten und dritten Generation auslösen. Jede Gruppe brachte sieben bis acht Nachkommen auf die Welt, aber als mit diesen Nachkommen weitergezüchtet wurde hatten die Gruppen, welche Gensoja erhalten hatten, ein verlangsamtes Wachstum und erreichten die Paarungsfähigkeit später. Ebenso war die Sterblichkeitsrate fünfmal höher zur Vergleichsgruppe . Die Hamster der dritten Generation, gefüttert mit GMOs waren steril und es wuchsen Haare in ihren Mündern.

Die Fütterversuche des Dr. Arpad Pusztai in Großbritannien mit genveränderten Kartoffeln erbrachten ähnliche erschreckende Ergebnisse. Dr.Pusztai arbeitete am staatlichen Rowett Institute in Schottland und wurde 1998 wie auch seine Mitarbeiterin und Ehefrau entlassen nachdem er die Ergebnisse von Fütterstudien mit genveränderten Kartoffeln veröffentlicht hatte, die die Unbedenklichkeit von genveränderter Nahrung in Frage stellte. Seither ist Herr Pusztai einer der vehementesten Kritiker der grünen Biotechnologie.

In Europa hat sich eine neue Expertengruppe zum Thema Gentechnik zusammengefunden. Der Name lautet Testbiotech. Man verfasste einen Bericht indem die bisherige Sicherheitsprüfung von GVOs als fehlerhaft bezeichnet wird und verlangt neue Testmethoden. So sollen Pflanzen mit veränderter DNS „Stresstests“ ausgesetzt werden um etwaige Abberationen ausschließen zu können. Der Eingriff bewirke nämlich eine Unterbrechnung der sog. natürlichen Genregulation, was die Eigenschaften von hunderten Genen verändert und viel weitläufigere Auswirkungen haben kann als die erwünschten.

GVOs zu konsumieren über den direkten Weg oder indirekt (über Eier, Milch und Fleisch von Tieren, die mit genveränderter Nahrung gefüttert wurden ), ist also durchaus mit Risiken behaftet und man sollte es sich zweimal überlegen, welche Produkte in Zukunft im Supermarkt im Einkaufswagen landen. Eine Möglichkeit auf der sicheren, gvo-freien Seite zu stehen ist, auf das Logo der Organisation Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V. i.G. zu achten. Hier haben sich zahlreiche Unternehmen und Betriebe zusammengeschlossen, um dem Konsumenten eine Wahlmöglichkeit zu geben. Solche Aktionen verdienen Unterstützung. Letztendlich wird hoffentlich der wirklich freie Markt über den Erfolg von GMO-Produkten entscheiden, womit der Einfluss eines jeden Einzelnen nicht zu gering eingeschätzt werden sollte.

AlexBenesch
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